DIE IDEE

Die Speicherstadt ist das traditionelle Symbol hanseatischer Kaufmannskraft. Nach der Aufhebung der Zollgrenze abgesperrten im Jahr 2003, avancierte die Speicherstadt zum maritimen Zentrum Hamburgs und fungiert heute als historischer Rand der HafenCity und Scharnier zwischen alt und neu.

Die erfolgreiche Idee einer künstlerischen Inszenierung der Lagerhäuser an den Fleeten entstand in den Jahren 1993 und 1994. Mit der Organisation des internationalen Lichtforums durch die Hamburger Hafen und Logistik AG (damals Hamburger Hafen und Lagerhaus AG) und anschließend mit dem Theaterprojekt „Der Hamburger Jedermann” von Michael Batz wurde die Speicherstadt erstmalig als Bühne genutzt und partiell künstlerisch in Szene gesetzt.

Im Jahr 2015 wurden das weltweit größte zusammenhängende Lagerhaus-Ensemble, die „Speicherstadt“ und das benachbarte „Kontorhausviertel“ zusammen mit dem „Chilehaus“ in die Liste des UNESCO Welterbes aufgenommen.

Die allabendliche Illumination der Speicherstadt ist insgesamt das Resultat eines stimmigen künstlerischen Gesamtkonzeptes sowie eines permanenten Gestaltungsprozesses voller technischer und organisatorischer Herausforderungen, Erfahrungen und Optimierungen. Die Illumination gibt dem Quartier nachhaltig, sensibel und doch höchst angemessen einen einmaligen Anblick.

Wasserschloss © ELBE&FLUT / Thomas Hampel
Wasserschloss © ELBE&FLUT / Thomas Hampel

DIE REALISIERUNG

Mit der Inszenierung „Mozart. Amerika” von Michael Batz (1999) des Theaters in der Speicherstadt gelang der Durchbruch für die Idee einer dauerhaft illuminierten Speicherstadt. Für die Erzählung über den Aufenthalt des Mozart-Librettisten Lorenzo da Ponte in Hamburg (1801) verwandelte sich die Speicherstadt in ein grandioses Open-Air-Opernhaus. Die Theaterbesucher fuhren auf Barkassen durch die illuminierten Fleete und hörten Arien aus „Don Giovanni”. Dies war der Start einer ersten temporären Lichtgestaltung der einzigartigen Fassaden, Brücken, Dächer, Windenhauben und Giebel.

Unmittelbar wurde dabei erlebbar, wie sich durch das Medium Licht die einzigartige Architektur in Szene setzen lässt. Das detaillierte Lichtkonzept von Michael Batz wurde damit zur Grundlage der Realisierung der Beleuchtung, welche die drei Faktoren Ästhetik, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit harmonisch zusammenführt.

© ELBE&FLUT / Thomas Hampel
© ELBE&FLUT / Thomas Hampel

DIE INSZENIERUNG

Für die Lichtkonzeption der Speicherstadt gab es zu diesem Zeitpunkt keinerlei Referenz. Ein vergleichbares Beleuchtungsprojekt in ähnlicher Größe und Differenziertheit der Architektur, dazu noch mit den Herausforderungen des Denkmalsschutzes, wurde bis zu diesem Zeitpunkt noch nie realisiert.

Im April 2001 erlebte dann die Stadt Hamburg die Umsetzung dieses beispiellosen Projektes: Ein ganzer Stadtteil erstrahlte in den Abendstunden erstmalig im Licht. Auf einer Strecke von 1,5 Kilometern verwandelte sich der historische Lagerhauskomplex in ein faszinierendes nächtliches Panorama. Über 60 Hafenbarkassen feierten diesen Moment mit einem Schiffssirenen Konzert. Seitdem wird das Bild der beleuchteten Speicherstadt mit ihrer Schönheit, Eleganz und Leichtigkeit aus der Stadt Hamburg in alle Welt getragen.

Kein Flutlicht, kein Distanzlicht, keine Lichtkanonade: Bei der sanften Illumination wird die Lichtmasse gewissermaßen zum Bestandteil der neugotischen Architektur. Die Speicherstadt erhebt sich aus dem Dunkeln. Der Reichtum des Areals wird behutsam inszeniert und in ein erzählendes Licht getaucht. Die künstlerische Illumination der Speicherstadt bedient sich der Metapher des Theaters: Die Stadt als Bühne, der Betrachter als Mitspieler.

Licht und Dunkelheit akzentuieren Perspektiven, heben Zielpunkte hervor, hüllen die prägnanten, und typischen Elemente der Architektur in eine ihnen jeweils angemessene Helligkeit.

Der Besucher kann zwischen verschiedenen Perspektiven wählen: Der Blick von der Barkasse, der Blick von der Straßenebene und der Blick aus den Gebäuden selbst. Alle diese Blickrichtungen werden in die Lichtgestaltung einbezogen, welche unmittelbar den Charakter des riesigen Ensembles wiedergibt. Der Betrachter ist eingeladen, seine Sicht-Perspektiven ständig zu verändern. Das Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel ist eine stetige Einladung zum Flanieren und zum Entdecken des Detailreichtums der Speicherstadtarchitektur: Auf Entdeckung warten filigrane Oberflächenstrukturen, figurative Elemente und eine ausgeprägte Farbigkeit der Backsteinlandschaft. Vielfach korrespondiert das Licht auch mit dem ständigen Wechsel von Ebbe und Flut in den zahlreichen Fleeten der Speicherstadt. So spiegelt sich die Beleuchtung auf der Wasseroberfläche wider, dann kontrastieren die statischen, vertikalen Lichtbahnen ihr flächiges und bewegtes Gegenüber.

© ELBE&FLUT / Heinz-Joachim Hettchen
© ELBE&FLUT / Heinz-Joachim Hettchen

DIE ARCHITEKTUR

Gegenstand der künstlerischen Lichtbeschreibung ist ein städtebauliches Ensemble, welches Ende des 19. Jahrhunderts von zehn Architekten entworfen wurde. Sie alle hatten eine Ausbildung der sog. Hannoverschen Schule des Kirchenbaus, die unter der Bezeichnung „Neogotik” oder auch „Backsteingotik” in Norddeutschland bekannt geworden ist. Auffallend viele Kathedralen Zitate sind damit in die Formensprache der Lagerhauslandschaft eingegangen. Detailreichtum, Asymmetrien, Variationen in den seriellen Elementen (Erker, Giebel, Türmchen, Spitzdächer, Windenhauben) kennzeichnen die Charakteristik und die einzigartige Atmosphäre dieser „Stadt der Waren“. Die Farbigkeit des verwendeten Baumaterials reicht von hellgelb bis blaurot, angereichert durch grün oder schwarz glasierte Schmucksteine. Seit den 50er Jahren dieses Jahrhunderts sind Kriegsschäden durch moderne Bauten ersetzt worden, Imprägnierungen von Fassaden haben z.T. für auffallende Farbabweichungen gesorgt, renovierte Brücken stehen mit heller Korrosionsbeschichtung neben rostig-dunklen.

Als horizontales Stadtmassiv lag die Speicherstadt, vertikal getaktet durch die Reihen der Lukenstränge, von Fleeten durchzogen und durch Brücken akzentuiert, ein Jahrhundert lang als kaum betretenes Ausland und „dunkles Tier” zwischen dem Hafen und der Innenstadt. Ein sehr sinnlicher Ort, einst nach Kaffee und Gewürzen duftend, heute eingebunden in den Prozess der behutsamen und denkmalwahrenden Umwandlung nach den Nutzungsbedarfen unserer Zeit. Ein Ort, der heute aufgrund seiner einzigartigen Atmosphäre für zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen als Kulisse benutzt wird und den kaum ein Besucher emotional unberührt wieder verlässt.

© ELBE&FLUT / Thomas Hampel
© ELBE&FLUT / Thomas Hampel

DIE TECHNISCHE UMSETZUNG

Blendungen werden durch eine Montage in denkmalgerechten und unauffälligen Leuchten vermieden. Die Beleuchtung erfolgt von unten nach oben. Horizontale Beleuchtungspunkte erzeugen den Eindruck großer räumlicher Tiefe. Dafür wurden, anhand von Bildern, aufwändige Pläne der Fassaden, für die Lichtverteilung erstellt.

Die technische Umsetzung ist ein Triumph des schwachen Lichts. Die Durchschnittswattzahl für die gesamte Speicherstadt beträgt 24. Die Skala reicht von 13 Watt im Bereich der Türme über 18 Watt für die Brücken und 35 Watt für die Fassaden. Nur vereinzelt sind 70 Watt ein-gesetzt worden, etwa um Gebäude voneinander abzusetzen. Im Allgemeinen sind nicht die flächigen, sondern die gliedernden und plastischen Elemente betont worden. Struktur, Kontur und Kubatur sind die Orientierungsmerkmale der Lichtbeschreibung. Ergebnis ist eine äußerst reizvolle Gestaltung von Hell und Dunkel, also ein modellierender und malerischer Umgang mit dem Bauensemble, dessen Straßennamen noch heute an das einstige Quartier holländischer Glaubensflüchtlinge erinnern. So ist aus künstlerischer- wie aus kunstgeschichtlicher Perspektive eine Hommage an die Technik des Chiaroscuro und ihre Perfektion in der holländischen Malerei durchaus gewollt.

Die ursprüngliche Nutzungsform der Gebäude als Lager, wurde zum Co-Autoren der Lichtplanung. Die, für Waren-Zulieferung heute nicht mehr genutzte, innere Wasserachse der Fleete ermöglichte die Beschränkung auf jeweils eine einzige Leuchte, welche das Licht an den einzelnen Böden bis hinauf zur Windenhaube transportiert. Die vorspringenden Fassadenteile mit den hellen Sandsteinabschlüssen, die abgewetzten, runden Kanten der Böden sowie die abschließenden Rundbögen der Luken treten dadurch eindrucksvoll hervor, die etwas zurückliegenden Türen erscheinen wie Portale eines Auftritts. Das Bildhafte und Imaginative gewinnt an Bedeutung. Die Speicher behalten etwas Geheimnisvolles, das sie nicht sogleich preisgeben. Die Speicherstadt wird so keine Landschaft des ersten, flüchtigen Blicks. Als Ort gespeicherter Zeit bewahrt sie den Reichtum ihrer Eindrücke für denjenigen Betrachter, der dafür belohnt wird, dass er sich Zeit für sie nimmt.

Das Modell für die auch heute teilweise noch aktive Belieferung von der Straßenseite heißt Paarigkeit. Zu beiden Seiten des noch tätigen Windenaufzugs wurden zwei Ausleger oberhalb des öffentlichen Lichtraumprofils angesetzt. Die insgesamt größere Helligkeit verdankt sich auch der Lage, hin zur nördlich gegenüberliegenden Altstadt. Hier befindet sich die Repräsentationsseite der Speicherstadt, direkt am Zollkanal gelegen, entwickelt sie sich zu einer Flaniermeile mit Restaurants, Cafés und Museen. Zugleich entwickelt und unterstreicht die Speicherstadt zunehmend ihre Portalfunktion, hin zur wachsenden HafenCity, die – nur durch den im Kaffeehandel weltbekannten Sandtorkai getrennt – südlich angrenzend unmittelbar gegenüber liegt.

Zu einem wichtigen kompositorischen Element der Lichtgestaltung, sowohl für die Wasser- als auch für die Stadtseite, wurde die Auslassung: Von vornherein wurde nicht auf eine komplette Ausleuchtung gesetzt, um die Dunkelheit möglichst zu erhalten und um Stereotypen zu vermeiden. Es ging nicht darum, hochgestellte Zebrastreifen aus Licht nebeneinander zu reihen, sondern die lebendige Rhythmik der Architektur im Licht aufzunehmen und nachzuvollziehen. Nicht allein für die kurzen, sondern vor allem für die langen Blicke in den jeweiligen perspektivischen Raffungen erwies sich dieser Ansatz als richtig. Aus den verschiedenen Blickwinkeln erscheint die Speicherstadt nie ganz gleich.

Ein weiterer Gesichtspunkt von Zurückhaltung betrifft die Entwicklung des Umgebungslichts und die Erneuerung der Straßenbeleuchtung. Je mehr Büros entstehen, desto heller wird der Ort in Zukunft werden. Eine Konkurrenz zwischen dem Innenlicht der Büros und dem Außen-licht der Illumination sollte es daher nicht geben, sondern einen sinnvollen Dialog. Als äußerst störend erweisen sich die Peitschenlaternen der öffentlichen Straßenbeleuchtung, die durch zeitgemäße Einrichtungen ersetzt werden sollten. Im Bereich der Fassaden etwa bei „Block E“ (die Speicherstadt ist nach alphabetisch bezeichneten Blöcken eingeteilt) wurde bei historischen Lichtpunkten angesetzt, nur die Richtung verändert, um die Texturen des Mauerwerks hervorzuheben. Objekt- und Fassadennähe hatten definitive Priorität. Vermieden wurden prinzipiell Distanz- und Flächenlicht, Sims-Brechungen und Fremdfarbigkeiten. Down-Lights verboten sich von selbst wegen der Blendung, aber auch um dramatische Effekte wie künstliche „Mondlichtsituationen“ auszuschließen. Ein stilles Spektakel, das dem Ort eine ruhige, nächtliche Existenz verleiht, ohne ihn zu dramatisieren oder zu romantisieren.

Alle Brücken sind aus dem Unterbau ihrer Konstruktion beleuchtet. Die Installation erfolgt von Pontons aus, was bei den Gezeiten- und Strömungsverhältnissen nicht immer einfach ist. Von Leuchtstofflampen mit jeweils 18 Watt erleuchtet, erscheinen die Brücken wie magische Skulpturen, künstlerische Objekte voller Leichtigkeit. Besonders hier ist der Kontrast der leuchtenden Metallkonstruktion zur liquiden Spiegelung in den Fleeten sehr reizvoll.

Aktuell sind über 1.100 Leuchten installiert. Der Trend zur Miniaturisierung und Energie-Effizienz moderner Leuchten ist absolut positiv zu bewerten, wie die Erfahrung in der Speicherstadt eindeutig belegt. Seit neuestem werden vielfältige Produkte in modernster LED-Technik nachgerüstet oder verbaut. So bleibt das Projekt ökologisch und ökonomisch nach-haltig und doch technisch „state of the art“.

FAQ

Wie ist die Lichtkunst mit dem UNESCO-Welterbestatus und dem Denkmalschutz vereinbar?

Konzept und Umsetzung der Lichtgestaltung sind von Beginn an eng abgestimmt mit dem Hamburger Amt für Denkmalpflege. Sämtliche Teilabschnitte sind in Anwesenheit des amtierenden Oberbaudirektors und eines Vertreters des Denkmalamtes vor der Festinstallation bemustert und begutachtet worden.


Seit dem 5. Juli 2015 sind die Speicherstadt und das benachbarte Kontorhausviertel mit dem Chilehaus auf der Liste des UNESCO-Welterbes. Die Illumination der Speicherstadt besteht seit dem 27. April 2001. Sie ist nicht nur vereinbar mit dem Welterbestatus, sondern hat zum Erfolg der Bewerbung als solches beigetragen.

Wie lange halten die LED-Leuchten?

Die Lebensdauer von LED-Lampen beträgt laut Angaben der Hersteller maximal bis zu 100.000 Stunden (Nennwert). Je nach individueller Nutzungsdauer und äußeren Einflüssen (u.a. Witterung, Vibrationen etc.) kann die tatsächliche Lebensdauer merklich kürzer sein.

Wie viele Stunden sind die Leuchten im Jahr eingeschaltet?

Die Illumination der Speicherstadt ist hinsichtlich des täglichen Betriebs gekoppelt an die Betriebsstunden der öffentlichen Beleuchtung. Im allgemeinen sind es ca. 2600 Stunden pro Jahr.

Schaden die Leuchten den Tieren in der Speicherstadt? Fledermäuse? Insekten? Spinnen?

Während der bisherigen 20 Jahre Betrieb ist keine dramatische Abnahme von nachtaktiver Fauna zu beobachten gewesen. Insekten und Spinnen sind nach wie vor in merklicher Weise vorhanden. Über Fledermäuse liegen keine Angaben vor.

Hat das Streulicht negative Auswirkungen?

Es ist darauf geachtet worden, dass gerichtetes Licht zum Einsatz kommt, also Streulichteffekte möglichst minimiert werden. In den zurückliegenden Jahren hat es keine Beschwerden gegeben.

Was passiert bei Sturmflut?

Je nach Höhe des Wasserstandes können die Brücken der Speicherstadt bzw. die dort installierten Applikationen betroffen sein. Zwar sind spezielle Feuchtraumleuchten im Einsatz, doch kann es bei entsprechenden Überschwemmungen zu kompletten Ausfällen kommen.

An den Fassaden verbaute Leuchten sind wegen der stabilen Ausleger bisher durch Windeinwirkung nicht beschädigt worden.

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